Vortrag von Thomas Bertz / PressRound Frankfurt (2002)
Guten Abend
sehr geehrte Damen und Herren von der PressRound!
Ich freue
mich über Ihre Einladung und will gerne berichten sowie Rede und Antwort stehen zu einem Thema, das fesselnd sein kann: Zeitungsmarketing. Also, das Marketing für die Produkte und die Leistungen
einer Branche, die sonst über andere schreibt, derzeit aber zunehmend selbst ins öffentliche Interesse rückt. Auch hier im Rhein-Main-Gebiet ist vieles im Unklaren, wenn es beispielsweise um die
Zukunft der Frankfurter Rundschau oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geht. Sie wissen das.
Zunächst
darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Thomas Bertz, das gefühlte Alter beträgt 37 Jahre. Ich bin mit einer Journalistin verheiratet sowie Vater zweier Söhne. Mein täglich Brot verdiene ich mit
Zeitungsmarketing als geschäftsführender Gesellschafter der TBM Marketing GmbH in Großburgwedel bei Hannover.
Der
Berufsalltag begann für mich 1985 nach einer Ausbildung zum Werbekaufmann und einem Abendstudium zum Kommunikationswirt als Mitarbeiter in der Werbeabteilung eines Zeitungskonzerns. Dort habe ich
beispielsweise mit Vertriebs- und Verkaufsleitern darüber diskutiert, ob die Antwortkarte für ein Probe-Abo-Angebot an Nicht-Leser-Haushalte ein- oder zweifarbig gedruckt werden soll und mit
Chefredakteuren, ob die Meldung oder Reportage in eigener Sache denn wirklich ins Blatt gehöre.
Aus heutiger
Sicht war die Zeit geprägt von hohen Renditen und geringer Innovationsfreude. Im Lesermarkt wuchs die Auflage von Jahr zu Jahr - im Anzeigenmarkt war man konkurrenzlos: Anzeigenblätter wurden
zumeist vorsorglich selbst gegründet, private Rundfunk- und Fernsehsender standen noch nicht mal in den Startlöchern und vom Internet hatte damals niemand auch nur geträumt. Die
Zeitungsredaktionen kochten ihr eigenes Süppchen und debattierten mehr über innere und äußere Pressefreiheit als sich Gedanken über die Zeitung der Zukunft zu machen. Kurzum: Im regional
abgesteckten Claim durfte man als Verlag schürfen soviel man wollte. Die knusprig gebackenen Tauben flogen einem direkt in den Mund und nur wenige Verlage hatten Innovationen auf der Tagesordnung
- beispielsweise deshalb, weil man in den wenigen Konkurrenzmärkten bestimmte Ziele verfolgte.
1988 wurde
ich dann Werbeleiter im besagten Konzern und erlebte in den folgenden vier Jahren unter anderem die Grenzöffnung zwischen beiden deutschen Staaten mit und damit verbunden die herausfordernde Zeit
der Neugründung und Übernahme von Zeitungen in Ostdeutschland. Auch da ging es um Claims, Schürfrechte und Renditen.
Als ich das
Haus 1992 verließ, wusste ich aus heutiger Sicht über Zeitungsmarketing relativ wenig - hatte aber jede Menge Zeitungsluft geschnuppert. Und die macht süchtig.
Da ist ein
faszinierendes Produkt, das jeden Tag zu 100 Prozent neu erscheint. Unzählige Meldungen, Berichte, Interviews, Reportagen, Kommentare, Fotos, gewerbliche und private Anzeigen müssen zusammen
getragen werden, alles muss in einem minutiös aufeinander abgestimmten Prozess gesetzt, gedruckt und letztlich in einer ebenso minutiös abzulaufenden Logistigkette zu tausenden, zehntausenden
oder gar hunderttausenden Abonnenten sowie Grossisten gebracht werden.
Da sind
Anzeigenkunden, die einen Return on Investment bezüglich ihres Werbeetats erwarten und da sind Leser, die ihre Zeitung am Frühstückstisch schmerzlich vermissen, wenn sie mal nicht im Briefkasten
steckt. Ich nehme an, das ergeht Ihnen ähnlich, wenn die Logistigkette mal reißt und Ihr eigener Zustellbezirk betroffen ist, was allerdings die Ausnahme sein sollte.
Die Zeitung
am Frühstückstisch ist in mehr als 20 Millionen Haushalten in Deutschland ein tägliches Ritual, das man auf keinen Fall vermissen möchte. Ungefähr 2,4 Personen lesen das einzelne Zeitungsexemplar
– macht also mehr als 50 Millionen Leser täglich - und widmen dem Zeitungsexemplar durchschnittlich ungefähr jeweils 35 Minuten ihrer Zeit.
Das sind 35
Minuten, in denen man nicht fremd bestimmt ist von den Erfordernissen der Familie, des Berufs oder des Alltags. Das sind 35 Minuten, die man aktiv genießt - das heißt, sich mit dem beschäftigt,
was einen selbst interessiert: sei es der Kommentar zu den Sparmaßnahmen der Bundesregierung, die Info über den Neubau einer Umgehungsstraße seines Ortes, der Bericht über die Verschmutzung der
Innenstadt und was die Verwaltung zu tun gedenkt, das Kinoprogramm vom Wochenende oder der Prospekt eines Gartenbetriebs, der Rasenmäher mit 3 PS, ABS und Navigationssystem zum Schnäppchenpreis
anbietet.
Das Lesen
einer Tageszeitung hat übrigens eine andere Qualität als das Radiohören oder Fernsehen. Von diesen Medien wird man unterhalten und berieselt und kann aktiv gar nichts gestalten - ich bin mir
sicher, jeder von Ihnen hat in dieser Beziehung seine eigenen Werbeabwehrmechanismen bis zur Perfektion entwickelt - aber wenn Sie mal eben einen neuen Anzug oder den besagten Rasenmäher
anschaffen wollen, dann achten Sie auf die Angebote in Ihrer Tageszeitung.
Bei der
Tageszeitung kann man auswählen, vor- und zurückblättern und - wenn man will - auch noch mal nachlesen, wenn man es denn ganz genau wissen will oder vielleicht nicht ganz verstanden hat. Nicht
selten schneidet man sich sogar etwas aus, was einen speziell interessiert, und legt es sich hin, um es später zum eigenen Vorteil zu nutzen.
Die Zeitung
ist also ein Medium, das aktiv genutzt wird. Darüber hinaus bietet sie ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit. Deshalb liefert die Zeitung der werbetreibenden Wirtschaft besonders wertvolle Kontakt-
und Responsqualitäten - zumindest dann, wenn man als Unternehmen oder Werbeagentur damit umzugehen versteht.
Sie merken
schon: Ich mache Werbung für die Tageszeitung. Das aber gerne und mit voller Überzeugung. Gestern wie heute. Heute bin ich Geschäftsführer eines Unternehmens, dass sich ausschließlich mit
Zeitungsmarketing befasst.
Wir bei TBM
arbeiten für rund 20 Verlage mit ca. 60 Tageszeitungen in allen Teilen Deutschlands. Und wenn ich vorhin gesagt habe, dass ich marketingtechnisch fast ein Waisenknabe war, als ich meinen ersten
Arbeitgeber nach sieben Jahren verließ, dann sieht das heute grundlegend anders aus. TBM ist meines Wissens nach ein einzigartiges Konstrukt innerhalb der Branche mit nie dagewesenen
Wissensständen, wenn es um das Thema Zeitungsmarketing geht.
Heute
buddeln auch andere Medien in den Claims der Tageszeitungen. Sie machen den Verlagen ordentlich zu schaffen. Die Nuggets im Leser- und Anzeigenmarkt werden weniger und man steht vor der Frage, ob
die bisherigen Produkte, Angebote, Mannschaften und Marketing-Techniken den Erfordernissen der Gegenwart sowie den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind - zumal die Ergiebigkeit der Claims
eher weiter nachlässt als zunimmt. Das gilt für den Leser- wie auch für den Anzeigenmarkt – wundert aber nicht, da man als ehemaliger Monopolist zwangsläufig nur verlieren kann, wenn Wettbewerber
in den Markt eintreten.
Was also tun
- ich meine marketingtechnisch?
- Da ist ein Markt, in dem man immer noch Platzhirsch ist.
- Da sind Leser mit einem monetär und zeitlich beschränkten Medienbudget.
- Da sind Anzeigen- und Beilagenkunden, die ihren Werbeetat zunehmend auf mehrere Medien aufteilen.
- Da sind Wettbewerber, die sich ihre Daseinsberechtigung erkämpft haben und die ihren Kunden ebenfalls schöne Töchter - ich meine Nutzenketten - bieten.
- Da ist ein Produkt, das sich in den letzten 10 bis 15 Jahren oftmals nur rudimentär verändert hat.
- Da ist ein aufwendiger Produktions- und Distributionsprozess.
- Da sind Entscheidungsträger und Mitarbeiter, die ihre betriebliche Sozialisation in überaus erfolgreichen Zeiten erlebt haben.
- Da sind zumeist sinkende Anzeigen- und Vertriebserlöse.
Was also tun
- marketingtechnisch?
Schauen wir
uns die Handlungsfelder an. Das sind:
- Das Produkt
- Der Preis
- Die Distribution
- Die Kommunikation
Marketingtheoretisch
wäre das jetzt eine sinnvolle Betrachtungsweise. In der Zeitungspraxis herrscht eine andere Betrachtung vor, an die ich mich im Folgenden halten will.
Und
zwar:
1. Die
Redaktion
2. Der
Vertrieb
3. Die
Anzeigenabteilung
Zur
Redaktion:
Die
Redaktion spielt im Marketingdrehbuch eines Verlages neben Vertrieb und Anzeigenabteilung eine der drei wichtigen Hauptrollen. Sie ist jeden Tag aufs Neue zuständig für den Inhalt und die Optik
des Produktes - der Tageszeitung. Sie trägt lokal, regional und weltweit Informationen, Meinungen und Fotos zusammen, bewertet und gewichtet diese dann, um letztlich einen Bruchteil des
Gesammelten auf dem am jeweiligen Tag zur Verfügung stehenden Platz abzudrucken. Sie ist getrieben von der aktuellen Nachrichtenlage, darf dabei aber nicht aus den Augen verlieren, dass Ihre
Zielgruppe „Die Allgemeinheit“ heißt und sie deshalb jedem einzelnen Leser - sei er jung oder alt, arm oder reich, gebildet oder ungebildet - ein Themensprektrum bieten muss, das der jeweiligen
Interessenslage entspricht.
Letztlich
produziert man mit einer Tageszeitung ein Kaufhaus mit mehreren Abteilungen, in denen jeder Kunde sich nach Belieben bedienen kann – so ein Bild, das Wolfgang Mauersberg, Chefredakteur der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, seit vielen Jahren als Synonym beschreibt, wenn er über die Tageszeitung spricht. Als Marketer und Unternehmer finde ich solche sprechenden Bilder natürlich gut
und möchte dabei bleiben, wenn es darum geht, einige redaktionelle Handlungsfelder zu beschreiben.
Zunächst
möchte ich Sie aber bitten, dass Sie sich auf das folgende Bild einlassen: Stellen Sie sich bitte zwei Kaufhäuser vor – das eine Kaufhaus kennen Sie noch aus den 60er Jahren – es stand in Ihrer
Heimatstadt. Na – wie war das damals, als Sie einkaufen gingen?
Das andere
Kaufhaus kennen Sie auch: es ist eher ein Konsumtempel, steht in Frankfurt und heißt Nordwest-Zentrum. Sie ahnen schon, worauf ich hinaus will: Einige Zeitungen gleichen auch heute noch dem
Kaufhaus, das Sie aus den 60er Jahren kennen. Trist, grau, geringe Angebotstiefe, keine Sonderangebote, arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten, einfallslose Schaufenster, unattraktives und
manchmal auch unfreundliches Personal, das überhaupt nicht weiß, wofür es eigentlich bezahlt wird, Innovation und Service ein Fremdwort. Nun: die Kaufhäuser der 60er Jahre haben sich in langen,
teilweise sicher auch schmerzlichen und teuren Prozessen aufgrund des Konkurrenzdrucks und den geänderten Käuferinteressen zu den heutigen Konsumtempeln gewandelt.
Und die
Tageszeitungen? Einige Redaktionen sind bereits seit vielen Jahren auf einem guten Weg zum modernen Kaufhaus. Andere Redaktionen stehen noch am Anfang - sozusagen in den 60er Jahren. Ihre
Handlungsfelder sind am Kaufhaus-Beispiel klar umrissen:
1. Die
Fassade braucht einen neuen Anstrich.
2. Das
Angebot muss überprüft und ergänzt werden.
3. Die
Schaufenster müssen einladender gestaltet werden.
4. Die
Mitarbeiter müssen den Kunden als König behandeln.
Um dies
alles zu gewährleisten, sind in erster Linie die Kaufhausinhaber, die Kaufhausdirektoren und die Abteilungsleiter gefordert. Sie müssen den Handlungsbedarf erkennen und geeignete Maßnahmen
entwickeln und durchsetzen. Die Räder müssen am fahrenden Zug gewechselt werden - eine große Herausforderung und eine unausweichliche Aufgabe für alle Beteiligten. Ich jedenfalls freue mich über
jede Zeitungsredaktion, welche die Hände nicht in den Schoß legt, und eine Vision entwickelt und umsetzt.
Zum
Vertrieb:
Vornehmste
Aufgabe einer Vertriebsabteilung ist es, das Produkt täglich zuverlässig und pünktlich zum Leser zu bringen. Sei es über Zusteller zum Abonnenten oder über Grossisten oder direkter Belieferung
zum Einzelhändler. Marketingtechnische Handlungsfelder innerhalb der Distribution sind bei den Abonnenten die Zuverlässigkeit und die möglichst frühe Uhrzeit der Zustellung und beim Handel die
Präsentation der Ware, die Verfügbarkeit bei möglichst vielen Wiederverkäufern und das Verhindern oder Reduzieren von Ausverkäufen über die Mengenregulierung. Beides - die Sicherung der
Zustellung beim Abonnenten wie auch die Sicherung der Verfügbarkeit im Einzelhandel - sind Themenfelder, die man als Verlag professionell oder auch unprofessionell bearbeiten kann. Ich möchte das
aber hier nicht vertiefen und lieber darüber reden, was mein tägliches Brot ist: Vertriebsmarketing.
Letztlich
geht es darum, die verkaufte Auflage, die das Fundament für den wirtschaftlichen Erfolg eines Verlages bildet, auf einem vernünftigen Niveau zu halten, bzw. möglichst zu steigern, was allerdings
langfristig, wenn man sich die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland anschaut, unmöglich erscheint. Zu betrachten sind in diesem Zusammenhang die folgenden Themenfelder:
1. Die
effiziente Gewinnung neuer Abonnenten.
2. Die
langfristige Bindung der Abonnenten.
3. Die
effektive Rückgewinnung von Abbestellern.
4. Die
Förderung des Einzelverkaufs im Handel.
Zur
Abonnentengewinnung:
Lokale und
regionale Tageszeitungen verlieren jedes Jahr ca. 8 % ihrer Abonnenten; hauptsächlich wegen Tot oder Wegzug - aber auch finanzielle oder redaktionelle Gründe oder die Bildung von Lesegemeinschaft
spielen hier eine Rolle. Für eine Zeitung mit beispielsweise 100.000 Abonnenten bedeuten ca. 8 % Abonnentenschwund, dass ca. 8.000 Abonnenten jedes Jahr neu geworben werden müssen. Bei Kosten pro
Neukunde von 150 €, die jedoch je nach Gebiet und Marketingmethoden erheblich schwanken, muss dieser Verlag also 1.200.000 € nur für die Gewinnung neuer Abonnenten in die Hand nehmen. Dieses Geld
muss in Verkausförderungsmaßnahmen fließen - mit Imagemaßnahmen ist hier kein Blumentopf zu gewinnen.
Zu den
Maßnahmen innerhalb der Abonnentengewinnung zählen hauptsächlich:
- Leser Werben Leser – also Prämienangebote.
- Unpersonalisierte Prospekte
- Direkt Mailings
- Couponanzeigen
- Pop ups und Banner auf der Homepage
- Telefonmarketing
- Standwerbung und bei einigen Verlagen auch Haustürgeschäfte
Zu den Angebotsformen zählen u.a.:
- Gratis-Probe-Abos
- Gratis-Geschenk-Abos
- Mini-Abos mit Preisvorteil
- Geschenk-Mini-Abos mit Preisvorteil
- Vollabos
- Teilabos - also zum Beispiel nur an bestimmten Tagen lesen
Denjenigen
Grossisten, die hier zur PressRound gehören, und die sich vielleicht oftmals wie einige ihrer Kollegen über die Werbemaßnahmen von Verlagen beschweren, möchte ich an dieser Stelle folgendes
sagen:
1. Ohne die
Anwerbung neuer Abonnenten hätten Sie als Grossist oder Ihre Einzelhändler bald auch keine Zeitung mehr zu verkaufen, weil diese dann vom Markt verschwinden würde.
2. Ein
Verlag, der beispielsweise jährlich 30.000 Bürger aus dem gesamten Nichtabonnentenmarkt zunächst als Probeleser wirbt, gewinnt auf diese Weise ca. 3.000 Abonnenten. Den Rest – also 27.000 Bürger
– hat er auf diesem Weg mal wieder an die Zeitung rangeführt und es darf unterstellt werden, das ein großer Teil dieser Personen sich die Zeitung künftig regelmäßig im Einzelhandel kauft.
Nüchtern betrachtet sollten Grossisten und Einzelhändler die Abomaßnahmen von Verlagen eigentlich bezuschussen, weil sie selbst unter dem Strich erheblich davon
profitieren.
Die
Kernfrage innerhalb der Abonnentengewinnung heißt: „Wie gewinne ich wann mit welchem Angebot und auf welchem Weg möglichst effizient neue Abonnenten?“
Wir bei TBM
haben hierfür ein System entwickelt, dass mit ca. fünf Kampagnen pro Jahr sowie einigen Standards das Fundament für die Abonnentengewinnung bei vielen Verlagen in Deutschland bildet. Zumeist
können wir sogar bei Neukunden, bei denen wir noch ein genaueres Gefühl für den Markt entwickeln müssen, punktgenau vorhersagen, was wann hinten rauskommt, wenn man das und jenes vorne
reinsteckt. Wetten will jedenfalls in dieser Beziehung kaum noch ein Vertriebsmarketer mit TBM. Das Ganze geht sogar so weit, dass wir in der Vergangenheit aus strategischen Gründen einigen
Kunden im Rahmen der Neuakquisition angeboten haben, auf CPI- oder sogar CPO-Basis abzurechnen. Ein Risiko sind wir dabei aufgrund unseres speziellen Marktwissens nicht eingegangen. Das
Risiko-Modell hat sich für TBM immer gut gerechnet und aus Interessenten sind Kunden geworden, die sich jedes Mal die Augen gerieben haben und fragten: „Wie machen die das eigentlich?“. Wohl war
uns bei dieser Art von Neugeschäft übrigens nie - was ebenfalls mit dem speziellen Wissen bei TBM zusammen hängt: Sie können sich gar nicht vorstellen, was in einem Verlag intern alles passieren
kann, damit eine Kampagne in den Sand gesetzt wird.
Heute haben
wir diese Akquisitionsstrategien nicht mehr nötig. Kunden melden sich seit Jahren von alleine und bleiben dann bei TBM. Aber auch wenn wir bei TBM durch die enge Zusammenarbeit mit so vielen
Verlagen in nur einem einzigen Jahr soviel Marketingwissen sammeln, wie viele Vertriebs- oder Marketingleiter in ihrem ganzen Berufsleben nicht, sind wir mit unserer Arbeit nie ganz zufrieden.
Wir wissen zwar, dass das gesammelte Wissen einzigartig ist - aber gleichzeitig wissen wir, dass es nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Das hat historische Gründe. Bis vor wenigen Jahren war
bei Verlagen einfach keine Notwendigkeit, bestimmte Marketingmaßnahmen durchzuführen – geschweige denn sie anschließend zu dokumentieren und analysieren, um daraus Schlussfolgerungen für künftige
Maßnahmen abzuleiten. Nun - um mehr als die Spitze des Eisbergs zu erkunden, haben wir in diesem Jahr im Januar mit einigen Verlagen das Marketing-Netzwerk pro-TZ gegründet. Hier wird erstmals in
Deutschland Marketingwissen von Verlagen kontinuierlich, systematisch und strukturiert gesammelt und ausgewertet, um es dann sozusagen als geldwerten Vorteil an die beteiligten Verlage zurück zu
geben.
Klar gibt es
Kinderkrankheiten und Anlaufprobleme bei so einem Vorhaben, aber insgesamt sind wir mit diesem Netzwerk auf einem ausgezeichneten Weg, dessen Erfolge heute nach elf Monaten schon deutlich
erkennbar sind. So haben wir - um zwei Beispiele zu nennen - Strategien entdeckt, wie die Umwandlung von Interessenten in Abonnenten verdoppelt oder verdreifacht werden kann, was allerdings noch
an weiteren Projekten verifiziert werden muss. Das zweite Beispiel: Wir haben einigen Netzwerkern, die sonst ca. 150 € für ein zusätzliches Exemplar in der verkauften Auflage bezahlen, diese auf
einen Schlag mit einer bestimmten Maßnahme um 200 bis 500 Exemplare erhöht. Und dies zum Preis von unter 5 €. Damit wurde nicht nur die verkaufte Auflage deutlich und nachhaltig erhöht, sondern
auch 30.000 € bis 75.000 € gespart, die man mit herkömmlichen Maßnahmen für einen solchen Auflageneffekt ausgegeben hätte.
Oftmals
fühlen wir uns bei TBM wie auf einem Leuchtturm. Wir stehen dann auf dem Balkon und beobachten die Verlage und ihre Vertriebs- und Marketingleiter, wie sie mit unterschiedlichen Mitteln und
Wissensständen ihre Felder beackern: viele schieben mühselig einen Pflug vor sich her, einige haben Pferde oder Ochsen vor ihren Pflug gespannt, wenige sitzen im neuen High-Tech-Trecker, der
nicht nur das Pflügen erleichtert, sondern auch über ein satelliten-gestützes System verfügt, das ihm genau sagt, an welcher Stelle aufgrund der Bodenqualität wie viel Dünger ausgebracht werden
muss, damit die Ernte optimal ausfällt.
Zum Thema
„langfristige Bindung der Abonnenten“:
Ein großer
Verlag hat kürzlich erstmals genau untersucht, wie es mit der Abonnentenbindung aussieht. Das Ergebnis: In den ersten drei Jahren springen 60 % der gewonnenen Abonnenten wieder ab. Wer über diese
drei Jahre hinaus die Zeitung liest, der tut dies zumeist so lange, bis er wegzieht, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr lesen kann oder das Zeitliche segnet.
Ich bin
überzeugt, das es drei Hauptfaktoren gibt, um gewonnene Abonnenten langfristig zu binden. Zuerst muss das Produkt stimmen, d.h., es muss interessant, unterhaltend, spannend, nützlich und wertvoll
für mich sein. Zweitens muss die Zeitungslieferung absolut zuverlässig erfolgen, d.h., die Zeitung muss dann im Briefkasten stecken, wenn ich aufstehe und sie am Frühstückstisch lesen will. Und
drittens muss der Preis für das Zeitungsabonnement in mein Medienbudget passen, d.h. die Zeitung muss möglichst kostengünstig sein. Dies sind dann auch die wichtigsten Handlungsfelder für einen
Verlag, an denen kontinuierlich gearbeitet werden muss.
Zum Thema
Redaktion habe ich schon etwas gesagt, das Thema Zustellung ist aufgrund von gesetzlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren sehr viel schwerer geworden, am Thema
„Preis“ wird von den Verlagen kontinuierlich gearbeitet - der hat teilweise schwindelerregende Höhen erreicht und trägt sicherlich seinen Teil zu den aktuellen Auflagenproblemen teil. Heute
könnte ich als Abonnent getrost auf die Idee kommen, die Zeitung zu sparen und mir stattdessen jährlich eine Woche Urlaub auf einer Insel im Mittelmeer zu gönnen.
Wie gesagt:
Produkt, Zustellung und Preis sind meiner Meinung nach die Hauptfaktoren, um Abonnenten zu halten. Einige Verlage sind derzeit bestrebt, einen weiteren Faktor daneben zu stellen: Seien es Clubs
mit oder ohne Mitgliedsbeitrag und Mitgliedskarte oder spezielle Angebote, die kontinuierlich in der Zeitung veröffentlicht werden. Man erhofft sich, damit einen Mehrwert zu schaffen, der den
Leser über den Hauptzweck des Produktes hinaus bei der Stange hält.
Ich bin
äußerst skeptisch, ob dieses Ansinnen gelingen wird, beobachte diese Maßnahmen aber mit großem Interesse und wünsche den Verlagen natürlich, das ihre Konzepte aufgehen. Allerdings ist meine
Vermutung, dass in den nächsten ein bis drei Jahren Ernüchterung eintritt und man zu dem Schluss gelangen wird, dass Geld und Personal besser in das Produkt selbst statt in irgendwelche
Nebenprodukte gesteckt werden sollten.
Zum Thema
„effektive Rückgewinnung von Abbestellern“.
Wie bereits
gesagt, verliert ein Verlag im Laufe eines Jahres ca. 8 % seiner Abonnenten. Leser, die in eine andere Stadt oder auf Gottes Acker umziehen, sind natürlich verloren. Bei allen anderen besteht die
theoretische Möglichkeit, sie wieder ins Abonnement zurück zu holen. Hier gilt es, die Kündigungsgründe genauestens zu ergründen und kündigungsgrundbezogen geeignete Strategien und Maßnahmen zu
entwickeln, um den Kunden wieder zurück zu gewinnen.
Wo die
Zustellung nicht klappt, muss dieser Abbestellungsgrund beseitigt werden. Wo finanzielle Engpässe beispielsweise aufgrund von Arbeitslosigkeit eine Rolle spielen, können zum Beispiel besondere
Angebote ausgesprochen werden oder der Kunde sozusagen auf Widervorlage gelegt werden - irgendwann wird er ja wieder in Lohn und Brot stehen und will dann am Arbeitsplatz mit Kollegen über das
Tagesgeschehen mitreden können.
Von allen
Kündigern, die nicht wegziehen oder sterben, können erfahrungsgemäß 7 % bis 18 % wieder zurück geholt werden. Dies geschieht auf persönlichem, schriftlichem und telefonischem
Weg.
Die
Förderung des Einzelverkaufs im Handel.
Die
Verkaufszahlen von Tageszeitungen im Einzelhandel sind in den letzten Jahren bis auf wenige Ausnahmen stark rückläufig. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass in Ostdeutschland nach
der Wende die Einzelverkaufszahlen niemals ein ähnlich hohes Niveau erreicht haben wie in Westdeutschland. Und gerade dort hätte man steigende Zahlen erwarten dürfen. Im Jahr 1989 verfügte fast
jeder Haushalt in Ostdeutschland über ein Zeitungsabonnement – heute ist dies grob gesagt fast nur noch jeder zweite Haushalt. Wo sind die Leser geblieben, die ihr Abonnement gekündigt haben?
Lesen sie gar nicht mehr? Haben sie sich anderen Medien zugewendet? Nur teilweise. Ich verfüge über die Studie eines ostdeutschen Verlages, der 23.000 Nichtleserhaushalte befragt hatte. 37 %
aller Befragten gaben an, dass sie die Zeitung täglich lesen – und zwar per Lesegemeinschaft mit ihrem Nachbarn. Vertriebserlöstechnisch natürlich ein Problem – reichweitentechnisch aus
Anzeigenkundensicht eine wertvolle Information!
Die Bildung
von Lesegemeinschaften ist übrigens auch in Westdeutschland ein zunehmend größer werdendes Problem für Verlage, was die meisten allerdings noch gar nicht erkannt haben. Ich würde übrigens am
liebsten eine Druckfarbe erfinden und patentieren lassen, die man einfach wegließt. Dann könnte nur weißes Papier an den Nachbarn geliefert werden. Da ich aber in der Schule in Chemie nie
aufgepasst habe, wird mir dies leider nicht gelingen. Also empfehle ich den Verlagen, Teile der Zeitung so zu gestalten, dass man sie herausnehmen oder ausschneiden muss, um davon zu profitieren.
Am erfolgversprechendsten erscheint mir in diesem Zusammenhang derzeit das Thema Couponing, das sich ja auch bei uns in Deutschland zu entwickeln scheint. Es können aus meiner Sicht gar nicht
genug attraktive Coupons abgedruckt werden, die man sich ausschneidet, um dann eine zerfledderte Zeitung an den Nachbarn weiter zu reichen.
Aber wir
sind ja immer noch beim Thema Einzelverkauf. Vor 15 Jahren war es so, dass jedes halbwegs wichtige Ereignis in der Welt, in der Region oder im Ort dazu führte, das am nächsten Tag oder an den
nächsten Tagen erheblich mehr Zeitungen abgesetzt werden konnten. Heute gibt es das nur noch bei Ereignissen wie am 11. September 2001 oder wenn vor Ort ein Gewaltverbrechen geschieht oder
beispielsweise ein Zug entgleist. Früher war es auch so, dass man Großflächenplakate ein- oder zwei Dekaden lang aufhängte und an den Verkaufszahlen einen deutlichen Effekt ablesen konnte. Auch
das ist heute nicht mehr so.
Was also
tun? Alle Vertriebsverantwortlichen, die ich kenne - und das sind nicht wenige - sagen: „jeder in die Förderung des Einzelverkaufs investierter Euro hätte im Bereich Abonnentengewinnung eine um
ein vielfaches höhere Rendite“. Ich schließe mich dem an, da auch ich - wie gesagt - von keinem Zeitungsverlag weiß, der mit Verkaufsförderungsmaßnahmen Richtung Einzelhandel seine verkaufte
EV-Auflage nachhaltig positiv beeinflussen konnte.
Zur
Anzeigenabteilung:
Die
Anzeigenabteilung ist je nach den örtlichen Marktverhältnissen verantwortlich für 50 % bis 70 % des Umsatzes einer Tageszeitung. Sie akquiriert, berät und betreut Kunden, setzt ihre Anzeigen,
soweit sie nicht fix und fertig gestaltet angeliefert werden, und veröffentlicht diese dann im Blatt. Darüber hinaus werden Beilagen akquiriert und über die Zeitung zum Kunden
gebracht.
Es gibt
Anzeigen, die sozusagen von ganz alleine kommen - wie Todesanzeigen oder Stellenanzeigen - es gibt Anzeigen, die beim Privatkunden akquiriert werden - wie beispielsweise so genannte „fröhliche
Familienanzeigen“ - es gibt Anzeigen, die von Markenartiklern oder dem überregionalen Handel geschaltet werden und es gibt Anzeigen, die man vor Ort bei Händlern und Dienstleistern akquiriert. Es
gibt Imageanzeigen und Verkaufsanzeigen, es gibt große- und kleine, bunte- und einfarbige Anzeigen.
Neben
Anzeigen und Beilagen in der Tageszeitung haben einige Verlage auch Werbeträger wie Anzeigenblätter oder das Internet im Angebot, die jedoch zu-meist nicht von demselben Verkaufsteam vermarktet
werden.
Im Verkauf
sind die Zeitungen grob gesagt so strukturiert, das es eine Truppe für den lokalen Markt gibt und einen oder mehrere Kümmerer für den überregi-onalen Markt, der oder die auch unterstützt werden
kann von Generalvertretern, die jeweils für ein bestimmtes Gebiet zuständig sind. Kleinere Zeitungen haben sich zumeist einem Anzeigenverbund angeschlossen, der sich hauptsächlich um die
Akquisition und Abwicklung der überregionalen Anzeigen kümmert.
Sehr
spannend aus meiner Sicht ist der regionale Markt. Hier kann aktiv gestaltet und bewegt werden. Sei es der gewerbliche Markt oder der Markt der Pri-vatanzeigen. Bei den überregionalen Anzeigen
fallen bei den werbetreibenden Kunden heute zumeist Gattungsentscheidungen und Entscheidungen für oder gegen bestimmte Gebiete und dann ist man eben dabei oder nicht dabei.
Der Markt
der privaten Anzeigen wird von den meisten Verlagen nicht aktiv bearbeitet. Zwar hat man einige Couponanzeigen - längst nicht zu allen Angebotsformen - aber die sind dann meist stiefmütterlich
getextet und gestaltet und eher nicht dazu geeignet, die Notwendigkeit und den Nutzen einer Tageszeitungsanzeige erkennen zu lassen.
Ein größeres
Augenmerk richten die Zeitungen auf den Markt der lokalen Händler und Dienstleister. Zumindest bei A-Kunden und bei B-Kunden. Hier gibt es regelmäßige Gespräche zwischen Anzeigenberater und Kunde
und bei manchen Verlagen auch fachliche und / oder gesellschaftliche Veranstaltungen bei denen man sich mit den Kunden trifft und austauscht.
Hat ein
Verlag neben der Tageszeitung auch Anzeigenblätter und das Internet sowie weitere Werbemöglichkeiten im Angebot, dann wäre es aus Kundensicht sicher wünschenswert, wenn er aus einer Hand
kompetent beraten wird, was allerdings wohl in kaum einem Haus realisiert ist. Da macht man sich dann schon eher gegenseitig Konkurrenz und unterläuft die Preislisten. Dabei wäre gerade in diesem
Feld eine große Zukunftschance für Verlage: medienüber-greifend beraten können und damit echter Problemlöser für Kunden sein. In dieser Beziehung allerdings ist man noch meilenweit vom Ziel
entfernt oder hat es noch nicht mal als lohnenswert erkannt.
C-Kunden und
D-Kunden werden von den meisten Verlagen übrigens nicht aktiv betreut - auch hier existiert ein großes Potential, wenn man es denn angehen würde.
So, jetzt
bin ich auch schon fast am Ende meines Vortrages angelangt. Zu sagen gäbe es noch vieles gerade auch im Hinblick auf das Anzeigenmarketing - allein die Zeit lässt dies nicht zu und sicher wollen
auch Sie jetzt endlich miteinander ins Gespräch kommen.
Lassen Sie
mich nur noch kurz den eingangs erwähnten Aspekt der aktuellen Branchenkrise aufgreifen. Derzeit schreiben einige Häuser rote Zahlen, denen man noch vor zwei Jahren nachgesagt hat, dass sie auf
ihren Rotationen nicht nur Zeitungen sondern auch Geld gedruckt haben. In den vergangenen Monaten kam es schon zum Verkauf von Zeitungen. Die größten Probleme haben derzeit wohl die Verlage, die
in den fetten Jahren 1999 und 2000 Investitionsentscheidungen getroffen haben, die heute zum Tragen kommen sowie die Verlage, die es in den letzten 10 Jahren versäumt haben, ihre
Produktionsprozesse zu verschlanken.
Im Moment
wird an vielen Orten über weitere Kooperationen und Übernahmen gesprochen oder schon verhandelt. So gibt es beispielsweise Überlegungen, ganze Mantelredaktionen einzusparen. Ich finde das schade
und schädlich für unsere Demokratie. Mit jeder eigenständigen Zeitung, die übernommen wird, stirbt lokale Identität und vor allem auch eine lokale Kontrollinstanz, die den Politikern und
Unternehmern vor Ort auf die Finger schaut. Es zeichnet sich aber leider ab, das wir in den nächsten Jahren einen Konzentrationsprozess erleben werden.
Mein
bescheidener Wunsch ist es, das möglichst viele Zeitungen und Verlage diesen Prozess überleben werden, und das bei allen Notwendigkeiten nicht vergessen wird, in die Zukunft der Zeitung zu
investieren und vor allem auch nicht zu vergessen, alle Ressourcen auf den Markt auszurichten statt dem Markt nur das zu geben, was Organisation und Produktion mal eben zulassen. Es gibt viel zu
tun und es ist und bleibt spannend.
Ich danke
Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf den weiteren
Abend!